Fast jeder kennt sie aus der Kindheit: Motive, die man mit Hammer und Nagel in ein Stück Holz hämmert, um sie dann mit einem Faden sichtbar zu machen. Von weitem sind die Details des Bildes erkennbar, doch von nahem offenbart sich: Das ist gar kein normales Bild! Es ist ein Fadenbild!
2018 hat Thomas Willberger die Idee, seiner Freundin ein solches Fadenbild zu schenken. Aber es soll ganz besonders sein, nämlich fotorealistisch. Und so berechnet der Karlsruher mit einem selbst geschriebenen Computerprogramm, wo die Nägel und der Faden positioniert sein müssen, damit das Bild am Ende so aussieht wie das Porträtfoto seiner Freundin. Die passenden Maschinen, die die Positionierung der Nägel und des Fadens übernehmen, baut sein Nachbar André Gall. Über ein Jahr intensive Entwicklungszeit brauchen die beiden Männer bis sie schließlich das gewünschte Bild in den Händen halten. Als das Verfahren reibungslos funktioniert, gründen sie WireStyle.
Ende 2020 geht das Unternehmen mit zwei Maschinen an den Start: Eine Maschine zum Nageln und eine zum Verlegen des Fadens. Die erste Zeit sind die Maschinen Andrés Mitbewohner. „Ich habe die Maschinen in meinem Wohnzimmer gebaut und auch die ersten Monate dort betrieben“, erzählt der Gründer. Inzwischen ist die Firma gewachsen. Mittlerweile gibt es fünf Maschinen und Thomas und André haben eine Halle gemietet. „Wir konnten nicht mehr genügend Material einlagern.“ Und Material brauchen sie eine ganze Menge. „Ein typisches Bild hat etwa 10.000 Nägel und hunderte Meter bis einige Kilometer Faden, der in ca. 100.000 Segmenten zwischen den Nägeln gespannt ist.“
Die längste Zeit für ein Fadenbild braucht die Computersimulation. Daher würden die Berechnungen der neuen Bilder meistens über Nacht durchgeführt, berichtet das Gründerteam. Die Produktion selbst dauert dann „nur“ ein paar Stunden pro Bild, wobei die Maschinen die meiste Zeit alleine laufen können. Das Besondere an den Fadenbildern: Steht man direkt vor dem Bild nimmt man hauptsächlich die Nägel und den Faden wahr. Je weiter man sich entfernt, desto mehr verschwinden die Nägel und der Faden und das Motiv wird sichtbar. „Ab einem Abstand von zwei bis drei Metern verschwimmen die Fäden so weit, dass man das Motiv optimal erkennen kann. In einem Abstand von vier Metern können die meisten Menschen keine Fäden mehr erkennen und halten das Bild für ein Schwarz-Weiß-Foto.“
“Auch wenn die Fadenbilder fotorealistisch aussehen, hinter dem Faden ist kein gedrucktes Bild, das Motiv entsteht nur durch den Faden.”
Und was, wenn man sein Leben gar nicht in Fotos festhält oder sich einfach nicht entscheiden kann? Für alle die, die kein geeignetes Bild bei ihren Fotos finden und dennoch ihr Zuhause gerne mit einem Fadenbild verschönern möchten, hat WireStyle eine Kollektion zusammengestellt – vom abstraktem Motiv über ein Tiger-bild bis hin zum Oldtimer. „Aus unserer Kollektion werden viel seltener fertige Motive bestellt, als wir anfangs dachten“, sagt André. „Aber wenn jemand ein fertiges Motiv bestellt, dann ist es meistens der Tiger oder das Pferd. Die kommen einfach supergut raus.“ Die allermeisten bestellen individuelle Bilder von ihren Kindern, ihrer Hochzeit oder ihren Haustieren. Auf die Frage, ob er denn ein Lieblingmotiv habe, antwortet der Karlsruher: „Mir gefallen am besten Portraits, bei denen man die Gesichter der Menschen gut erkennen kann. Das löst bei allen Leuten auch immer den größten Wow-Effekt aus. Wenn ich ein Foto von meinen Fadenbildern mache, erkennt die Kamera auch immer das Gesicht auf dem Bild und stellt darauf automatisch scharf, obwohl es ja in Wirklichkeit nur ein Faden ist. Das beeindruckt mich jedes mal wieder aufs Neue.“
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