Jeder kennt jemanden, der Rätsel liebt. „Kains Knochen“ ist das perfekte Geschenk für eben diese Personen im Freundes- und Bekanntenkreis. Der Kreuzworträtselautor des Observers, Edward Powys Mathers, schrieb den einzigartigen Roman 1934 unter seinem Pseudonym Torquemada. Im Sommer 2022 erschien die deutsche Übersetzung im Suhrkamp Verlag.
Wer glaubt, „Kains Knochen“ sei ein Buch à la „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“, der irrt. Der Roman ist eher das genaue Gegenteil einer Bettlektüre …
“Kains Knochen ist ein hundertseitiger Krimi, in dem sechs Menschen sterben. Um herauszufinden, wer sie sind und wer sie getötet hat, muss der Leser die Seiten des Buches neu anordnen. Es gibt Millionen von Möglichkeiten – aber nur eine richtige Lösung. Bis heute haben drei Personen sie gefunden.”
Geschichten, die das Leben schreibt … Die Geschichte des Buches „Kains Knochen“ ist so eine. Vor nicht ganz 100 Jahren – um genau zu sein: im Jahr 1934 – erschien die Erstausgabe des Romans aus der Feder von Edward Powys Mathers aka Torquemada. „Merke“, so steht es im Vorwort. „Das Rätsel ist ungeheuer schwer und nichts für schwache Nerven.“ Wahre Worte. Nur zwei Personen lösen in den Dreißigerjahren den Fall und sichern sich so die 15 Pfund Sterling – das Preisgeld, das auf des Rätsels Lösung ausgeschrieben war. Nach dem Tod Mathers 1939 gerieten er und sein eigenartiges Werk in Vergessenheit. Bis in die 2000er Jahre …
2018 wiederentdeckt, veröffentlichte der britische Unbound-Verlag das Buch 2019 – und lobte 1000 Pfund für die korrekte Antwort aus. Die deutsche Übersetzung erschien dann im Sommer 2022 im Suhrkamp Verlag: 1000 Euro gab hier es für die erste richtig eingesandte Lösung.
Bei Torquemadas Buch handelt es sich nicht nur um ein kriminalistisches Rätsel, sondern um eines der schwierigsten Wörterrätsel überhaupt. Warum? Nicht nur, dass die 100 Seiten der Geschichte absichtlich in eine falsche Reihenfolge gebracht wurden … Nein, jede Seite steht für sich allein, beginnt mit einem neuen Satz – und endet entsprechend mit Punkt. Oder mit einem Fragezeichen.
Die Namen in der Geschichte lassen sich nicht eindeutig zuordnen. Ist da gerade die Rede von einem Menschen? Oder einem Tier? Einem Ort? Oder vielleicht handelt es sich sogar um eine Pflanzenart? Man weiß es nicht. Ein weiterer Punkt: Auf jeder Seite kommt ein Ich-Erzähler zu Wort. Unklar bleibt, ob es nur einen oder mehrere Ich-Erzähler gibt. Und dann der ausgeprägte Hang des – oder der – Ich-Erzähler(s) zwischen den Gedanken hin und her zu springen …
Um das Rätsel zu lösen, muss man die 100 Seiten in die richtige Reihenfolge bringen. Und herausfinden, wer wen ermordet hat. Bei sechs Mordfällen gar nicht so einfach.
Der Name „Torquemada“ bezieht sich auf einen gefürchteten Beamten der spanischen Inquisition im 15. Jahrhundert. Hinter dem Pseudonym steckt Edward Powys Mathers. Der englische Übersetzer, Dichter und Kreuzworträtselautor hat 1924 als Erster in England im Observer die Art Kreuzwörträtsel eingeführt, bei denen man um die Ecke denken muss. Mathers Freund John Dickson Carr, ebenfalls Autor, sagte über ihn: „Niemals hat ein Mann mit derart breiten Kenntnissen der Sensationsliteratur gelebt. Torquemada las alles, was geschrieben wurde, und war mit allem, was geschrieben worden war, bestens vertraut. Und er hat nie etwas davon vergessen.“